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Im zweiten Anlauf – EU-Einheitspatent und Einheitliches Patentgericht kommen

23. Dezember 2020

Nachdem der Bundestag am 26.11.2020 das Zustimmungsgesetz zum Übereinkommen über das Einheitliche Patentgericht (EPGÜ) beschlossen hatte, hat nun auch der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt. Mit diesem Gesetz werden die Vorgaben der EU für das lange geplante neue EU-Einheitspatent und das damit verknüpfte harmonisierte Patentgericht in nationales Recht umgesetzt.

Im zweiten Anlauf erfolgreich

Bundestag und Bundesrat hatten dieses Gesetzt bereits im Jahr 2017 verabschiedet, jedoch hatte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz aus formellen Gründen für nichtig erklärt. 2017 war das Gesetz im Bundestag einstimmig angenommen worden, jedoch waren nur 35 von 600 Abgeordneten anwesend. Dieser formelle Mangel wurde nun behoben.

Inkrafttreten nach Ratifizierung in Deutschland

Nach Ratifizierung des Gesetzes in Deutschland kann das EPGÜ in Kraft treten. Bislang hatten bereits 15 Vertragsmitgliedstaaten der EU das Übereinkommen ratifiziert, das war allein jedoch nicht ausreichend. Denn für das Inkrafttreten des Übereinkommens ist es erforderlich, dass auch die drei Mitgliedstaaten mit den meisten europäischen Patenten das Übereinkommen ratifizieren. Von diesen unverzichtbaren Staaten fehlte nur noch Deutschland.

Nach Angaben der EU-Kommission soll noch 2021 mit der „Periode provisorischer Anwendung“ des Einheitspatents begonnen werden. Ab 2022 soll das neue System dann voll funktionsfähig sein.

Welche Vorteile bringt das neue System?

Mit dem Einheitspatent geht die Hoffnung einher, dass Unternehmen Erfindungen bald einfacher und günstiger EU-weit schützen lassen können. Mit dem Einheitspatent wird ein zentralisiertes Verfahren zur Erlangung eines Patentes geschaffen, welches einheitlichen und umfassenden territorialen Schutz in den teilnehmenden Mitgliedstaaten gewährt. Eine Validierung in einzelnen Staaten ist nicht erforderlich. Einheitlicher Schutz bedeutet ferner, dass der Umfang der Rechte aus einem Einheitspatent und seine Beschränkungen sowie die verfügbaren Rechtsbehelfe für alle teilnehmenden Mitgliedstaaten harmonisiert sind. Der Anmelder muss daher nur noch eine einzige Rechtsordnung berücksichtigen. Weiterhin werden die reduzierten Übersetzungserfordernisse eine erhebliche Vereinfachung im Erteilungsverfahren darstellen.

Das Einheitspatent erleichtert ferner die Patentadministration. Es muss nur noch ein Patent statt einer Vielzahl von Patenten verwaltet werden, d.h. Fristabläufe überwacht und die Jahresgebühren bezahlt werden. Auch Rechtsübergänge, Lizenzen und andere Rechte müssen nicht mehr für jedes Land einzeln in den nationalen Patentregistern eingetragen werden. Auch hier reicht eine einzige Eintragung im Register für den einheitlichen Patentschutz des EPA.

Von den genannten Vorteilen soll insbesondere die deutsche Industrie profitieren, auf die rund 40 Prozent der vom Europäischen Patentamt an europäische Anmelder erteilten europäischen Patenten entfallen.

Das Einheitspatent in Gerichtsverfahren – Chancen und Risiken

Grenzüberschreitende Patentverletzungen dürften im Einheitspatentsystem regelmäßig einfacher und kostengünstiger verfolgt werden können, da nur noch ein Verletzungsverfahren und ggf. ein Nichtigkeitsverfahren zu führen ist, statt einer Vielzahl nationaler Gerichtsverfahren. Dadurch können sich Gerichts- und Anwaltskosten deutlich reduzieren.

Im Falle von möglichen Patentverletzungen weist das Einheitspatent aber auch einige Nachteile auf. So dürfte eine Kosteneinsparung nicht in jedem Fall bestehen. Zukünftig ist die Strategie nicht mehr möglich, bei einer europaweiten vermeintlichen Patentverletzung einen auf Deutschland beschränkten schnellen und relativ kostengünstigen Pilotprozess zu führen und sich auf Basis der deutschen Entscheidung für ganz Europa zu vergleichen. Stattdessen muss jetzt ein Verfahren mit Wirkung für die ganze EU geführt werden, was zu einer deutlichen Erhöhung des Streitwerts und damit des Kostenrisikos führt. Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass das Einheitspatent mit einem einzigen Nichtigkeitsverfahren vernichtet werden kann, selbst wenn es nur um Verletzungshandlungen in einem Land geht. Der Patentinhaber erhöht somit sein Risiko bzw. seinen Einsatz, wenn er sich für das Einheitspatent und das Einheitspatentsystem entscheidet.

Was sollten Inhaber von Europäischen Bündel-Patenten beachten?

Das Inkrafttreten des EPGÜ hat auch Auswirkungen für Inhaber eines klassischen Bündelpatents. Diese fallen zukünftig auch unter die Rechtsprechung des Einheitlichen Patentgerichts, sofern der Inhaber keine sog. Opt-Erklärung abgibt. Das EPGÜ sieht eine Übergangsphase vor, in der eine parallele Zuständigkeit von Einheitliches Patentgericht und nationalen Gerichten für klassische Europäischen-(Bündel-)Patente besteht. Wer verhindern will, dass sein Europäisches (Bündel-)Patent Gegenstand einer Nichtigkeitsklage vor dem Einheitlichen Patentgericht werden kann, muss bis zum Ablauf der Übergangsphase, die mit Inkrafttreten des EPGÜ beginnt, eine Opt-out-Erklärung abgeben.

Ihre Ansprechpartner
Dirk Pauli

Dirk Pauli

Partner

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Telefon +49 711 7811 8820

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